Über’s Landleben

Erika Beil

Die überwiegend vorzufindende Siedlungsform der südbayrischen Landschaft ist das Dorf, auch wenn es noch viele Einzelhöfe und Weiler gibt. Topographisch betrachtet, handelt es sich dabei um Haufen- oder Straßendörfer. Bei einem Haufendorf, wie z.B. Eichenkofen, sind die Häuser nicht nach einem Schema aneinander gegliedert, sonder ungeordnet aufgebaut.

Bei einem Straßendorf, z.B. Langengeisling, stehen die Häuser meist mit den Giebeln gegenüberliegend zur Straße hin.

In einem größeren Dorf sind alle Hofgrößen vertreten. Darüber hinaus gibt es noch ein paar kleinere Häuser für Taglöhner, Handwerker und Hüter. Jedoch weichen diese Häuser architektonisch kaum von einem Bauernhaus ab. Jeder Bauernhaustyp entwickelte sich aus dieser Funktion heraus, wobei u. a. die Landschaft, das Klima, das verfügbare Material und die alt hergebrachte Kultur eine große Rolle gespielt haben dürfte. Zum Beispiel benötigten Viehzüchter eine andere Hofform als Ackerbauern, Jäger oder Handwerker. Zum Dorfbild passt der gewachsene Dorfrand, ähnlich wie die saubere und ordentliche Bebauung als auch die Bepflanzung der Dorfstraße. Jede landschaftliche Bebauung hat ihren eigenen, für sie typischen Ausdruck. Diese Bebauungsform kann als eine Hauslandschaft bezeichnet werden.

Früher hatten alle Personen, die einen Hausbau anstrebten, ihre Bauten ganz selbstverständlich an dieses Baugesicht angeglichen. In der Erdinger Gegend ist der Stall nach Möglichkeit mit dem Wohnteil zusammengebaut.

Zwei Merkmale bestimmen vor allem das sog. Gesicht eines Hauses: die Form des Dachs und der Giebel. Der Giebel des Hauses ist meist großflächig und glatt gemauert. Das heißt, er besitzt kein hölzernes Beiwerk. Die im Verhältnis kleinen Fenster sitzen, ganz nach alpenländischer Art, im Mauerwerk. Immer bleibt die Mauer vorherrschend, die Fenster erscheinen nur als eine Unterbrechung. Für das gute Aussehen eines Hauses war die bodenständige Strukturierung aller baulichen Einzelheiten ebenso wichtig wie die Gesamtform. Der Außenputz umgibt die Wand wie eine lebendige Haut. Zur Belichtung der im ausgebauten Dachgeschoss vorhandenen Wohnräume verwendeten die Erbauer stehende Gauben, die teils gemauert, verputzt und mit Ziegeln gedeckt waren. Für den Heuboden wurden sogenannte Schleppgauben angebracht.

Das Dach ist für das bauliche Gesicht eines Hauses von größter Wichtigkeit. Die ursprüngliche Dachdeckung in der Erdinger Gegend war das Stroh. In holzreichen Gegenden wurde mit Holz gebaut und das Dach wurde mit Schindeln gedeckt. Diese Dachform wurde flach konstruiert, damit die Schindeln nicht abrutschen konnten. Demgegenüber wurde in Getreidebau Gegenden, wo der Wald fern war, das Dach mit Stroh gedeckt. Das Dach musste jedoch steiler werden, weil es diese Technik verlangte. Ab dem Jahre 1890 wurden die Strohdächer von Ziegeldächern abgelöst, wobei sich reiche Bauern auch Schieferdächer leisten konnten. Biberschwanzziegel oder auch Mönch- und Nonnendeckungen waren in dieser Gegend sehr verbreitet. Beim letzteren Fall hatte das Dach 45 - 48 Grad Neigung und war eingeschossig. Das Obergeschoss war unter dem Dach und hatte keinen Kniestock.

Der Dachvorsprung an den Längsseiten war im Süden breiter, damit im Sommer die Wärme der Sonne abgehalten wurde. Auf dem First war auf manchen Häusern ein aus Ziegelmaterial hergestellter Hahn angebracht, der als religiöses Zeichen diente und ein christliches Symbol der Fruchtbarkeit bedeutete.

An der Giebelseite eines Hauses haben sich einige Erbauer auf einer Steinplatte verewigt. Auf dieser kann man noch heute das Erbauungsjahr und den Namen des Erbauers lesen. Nicht zu vergessen ist dabei der Hausheilige oder die Hausheiligen. Der Hl. Josef oder die Muttergottes, die am Giebel in einer Nische aufgestellt wurden, bedeuteten, dass kein Hausbesitzer auf deren Schutz verzichten wollte.

In der Nähe des Hauses befand sich meistens ein alleinstehender Backofen, in dem die Bäuerin ihr Brot backen konnte.

Ein Taubenschlag oder ein Taubenkobel, der mitten im Hof stand, konnte in jedem Anwesen gefunden werden.

Zu jedem Hof gehörte auch ein Hofhund, welcher der akustische Hüter des Hauses war. Er war der Begleiter des Bauern auf dem Felde, half oft bei der Maulwurf- und Mäusejagd auf dem Acker und hütete bei Tag und Nacht die Habe seines Herrn als auch das Leben seiner Bewohner.

Am Wäschl am Bach trafen sich die Frauen und, obwohl sich dort zahlreiche Enten und Gänse im Wasser tummelten, spülten sie ihre Wäsche.

Zu jedem Haus gehörte ein Hausgarten. Dieser Brauch geht zurück in die Zeit Kaiser Karls des Großen, der im Jahre 812 in seinen Capitulare de villis den Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen in seinen Mustergütern anordnete. Bis zu 90 Pflanzenarten konnten darin aufgefunden werden. Heute sind es sehr viel weniger Pflanzen, die in einem Bauerngarten wachsen. Alleinherrschend in diesem Teil ist die Bäuerin. Ein stilles Fleckerl im Garten war für den Kräutergsund,( d. h. die Heilkräuter) bestimmt. Dort wuchsen: der bittere Wermuth, Salbei, Akelei, Fenchel, Kamille, Lavendel, Thymian, Melisse, etc. Diese Kräuter waren Gut für Not und Tod. Die Krone aller Heilkräuter war und bleibt die Hauswurz. Allzeit helfend, aus diesem Grund auch Wunderkraut genannt. In einem ausgedienten Tiegl oder einem Kistl hoch auf einem Zaunpfosten oder in einem alten Scherm gar auf dem Dach vom Haisl hatte sie ihren Platz. Die Hauswurz galt als guter Geist des Hauses, welches er mit Glück und Segen in seinen Schutz nahm.

Eine Ecke des Gartls gehörte dem Wurzelzeug für die Küche, z. B. „Petersil, Maigram, Knofe, Zwiewe, Maggikraut, Boretsch, Gelbe Rüben und Kreh“. Irgendwo am Zaun hatte auch der Schnittling seinen Platz.

Bei den Blumen stand an erster Stelle die sogenannte große Prang das ist die Pfingstrose. Das tränende Herz durfte nicht fehlen, ebenso Lilien, Levkoien, Reseda, Rittersporn, Eisenhut, Phlox, Dahlien, Kapuzinerkresse, sowie Nelken, die auch Hoffarts-Schmeckerl genannt wurden. Glaskugeln, sogenannte Rosenkugeln sind seit der Römerzeit bei uns bekannt.

Sie glitzern in der Sonne und sind deshalb zugleich Vogelscheuchen. In ihrem Innern hausen Ohrwuzler, die an den Rosenstöcken die Läuse fressen. Die Kugeln wurden nur bei besseren Pflanzen aufgesteckt, wie bei Rosen. Man glaubte, sie sind ein Glückbringer und wer eine Kugel im Garten stehen hat, der habe mehr Glück.

Fehlte bei einem Gehöft der mächtige Hausbaum, dann war es bestimmt ein sich an den Backofen oder an die Stadlwand lehnender hexenhemmender Hollerbaum, der das Amt des Beschützers inne hatte und in dem der gute Hausgeist wohnte. Es hieß „3 Hollerstaudn muass ma ham, sonst hat ma koa Glück“. Auch eine Haselnuss-Staude sollte in der Nähe sein, die den Hof vor Blitz und Feuer beschützen sollte.

In früheren Zeiten gab es verschiedene Hofgrößen. Z.B. waren bei einem ganzen Hof, der bei 150 Tagwerk groß war, meistens noch ein bis zwei Zubauhäusl dabei, worin Innleute, Hüter und Tagwerker wohnten. Inwohner durften heiraten, wogegen das Gesinde, das auf dem Hof arbeitete und keine eigene Wohnung hatte, nur heiraten durfte, wenn es der Bauer erlaubte.

Meistens lebten auf einem Hof zwei bis drei Generationen einer Familie. Die Anzahl der Hofbewohner richtete sich nach dem Bedarf an Arbeitskräften und nach den unproduktiven Leuten, z.B. Kinder und alte Leute. Zu dieser Zeit war die Familie ein stark ausgeprägtes Patriarchat - ein soziales Gebilde.

Was die tägliche Arbeit betraf, so war der Stall für den Bauern der wichtigste Teil seines Wirkungsraumes. Unumstrittener Mittelpunkt des häuslichen Lebens war hingegen die sogenannte Stubn. Dies war der Ort, an dem die Familienmitglieder und das Gesinde zu den Mahlzeiten zusammenkamen. Nach getaner Arbeit, besonders in den Wintermonaten, genoss man hier den Feierabend. Auf der eckläufigen Bank fanden alle ihren Platz. In der Küche wirtschaftete die Bäuerin mit ihren zur Verfügung stehenden Mägden. Für den Bauern wurde das Essen in der Küche oder der Stube extra angerichtet. Selten saß der Bauer bei seinen Dienstleuten. Das Sagen unten den Dienstboten hatte der Oberknecht.

Im Sommer nahmen die Dienstboten ihr Essen in der Fletz (d.h. Hausgang) ein. Die Fletz war meistens in Ost- Westrichtung orientiert. Hier wurden auch verschiedene bäuerliche Arbeiten, wie Sense dengeln verrichtet. Geheizt wurde mit Holz oder Torf. Das Reisig oder der Wied wurde gehackt und getrocknet und zum Anheizen verwendet.

Geschlachtet wurde auf dem Hof an heiligen Zeiten, wie Kirchweih, Weihnachten, Fasching, Ostern und Pfingsten.