Ein Beitrag zur Geschichte Eichenkofens im 12. Jahrhundert.
Die Wittelsbacher Ministerialenfamilie Kopf

von Günther Flohrschütz (+)

Der namhafte Landeshistoriker Günther Flohrschütz, bekannt vor allem durch seine Studien zum bayerischen Adel des Mittelalters, hat sich bereits 1992 mit der Geschichte von Altham beschäftigt. Erika Beil konnte ihn dazu bewegen, sich auch näher mit der Geschichte von Eichenkofen zu befassen. Sein Tod im Jahr 2000 verhinderte eine eingehende Ausarbeitung; die zurückgelassene Materialsammlung wurde für diese Chronik, vor allem anhand der Arbeiten von Flohrschütz selbst, aufgearbeitet.

Die mittelalterliche Geschichte Eichenkofens ist eng mit der Geschichte des Herzogtums Bayern und des Hauses Wittelsbach verbunden. In Eichenkofen nahm nämlich ein Ortsadelsgeschlecht, die Ministerialenfamilie Kopf, seinen Anfang, das zu den treuesten und einflußreichsten Helfern der Wittelsbacher, die 1180 schließlich Herzöge von Bayern wurden, gehörte.

Die Wittelsbacher konnten über ihr in Eichenkofen gelegenes Gut relativ frei verfügen. Allen Anschein nach gehörte dieses zunächst den Edlen von Lern, die um 1100 ausgestorben sind. Otto IV. von Wittelsbach, der Vater von Pfalzgraf Otto V./Herzog Otto I., hatte als Pfalzgraf das Recht, deren Güter im Namen des Reiches einzuziehen und tat es auch, als er um 1115/1120 die Burg Wartenberg erbaute und seine Herrschaft dort begründete. Mit den eingezogenen Reichslehen stattete der Pfalzgraf seine Ministerialen aus.

Das Eichenkofener Gut ging an Heinrich Kopf, einen der bedeutendsten Wittelsbacher Ministerialen im Erdinger-Wartenberger Raum.

Kopf, der sich mehrmals nach Eichenkofen nannte, war Stammvater der Familie.

Heinrich kam vielleicht, ebenso wie seine Herren, aus der Gegend Wittelsbach-Aichach (Adelzhausen?) und führte früher möglicherweise den Übernamen „Böhm“. „Kopf“ nannten ihn die Leute nach dem Schildzeichen, das ihm sein Herr verliehen hatte. Ein anderes Dienstmannengeschlecht des Pfalzgrafen wurde „Fuß“ genannt. Hermann, der Stammvater der Fuß, war wohl ein natürlicher Sohn des Pfalzgrafen, und das Gleiche könnte man auch von Heinrich Kopf vermuten in Anbetracht der Tatsache, daß er und seine Söhne den Wittelsbachern ungewöhnlich eng verbunden waren (s.u.). Anscheinend kam Heinrich Kopf auf dem zweiten Kreuzzug (1147/1149) ums Leben.

Bald darauf schenken seine Söhne Otto und Siegfried ihr vom Vater ererbtes Gut zu Eichenkofen an das Kloster Weihenstephan zum Seelenheil ihres Bruders Hartnit, der wohl in den Kämpfen, welche zwischen den Rittern des Pfalzgrafen und dem einheimischen Adel rings um Wartenberg tobten, erschlagen worden war.

Zur gleichen Zeit hören wir von einem Hartwig von Eichenkofen, der ebenfalls zur Streitmacht der Wittelsbacher gehörte und höchstwahrscheinlich ein Schwiegersohn des Heinrich Kopf gewesen ist. Nicht also einer von Heinrichs Söhnen hieß jetzt nach diesem Ort, sondern Hartwig, wohl Sohn des ersten Freisinger Richters. In der Tat sollte die wichtigste Beziehung der Richterfamilie ihre Schwägerschaft zu den Kopf sein. Für Hartwig war das von Otto und Siegfried nach Weihenstephan geschenkte, ihm jedoch auf Intervention des Pfalzgrafen verliehene Gut in Eichenkofen schon deshalb recht vorteilhaft, weil er auch im benachbarten Altham als mehrmals bestellter Salmann ein Gut über längere Zeit besaß. Jedenfalls blieb er im Besitz dieses Gutes bis zu seinem Tod, der ihn vielleicht auf dem dritten Kreuzzug (1189/1192) ereilte. Erst dann kam Weihenstephan endgültig in den Besitz des Hofes.

Übrigens nennt Hartwig sich auch manchmal nach Kopfsburg, war also Mitbesitzer dieser Burg (s.u.). Das hat sich für die Kopf aber nicht nachteilig ausgewirkt, denn Hartwig war kinderlos.

Ausgehend von den an Eichenkofen gebundenen Feststellungen zur Familie Kopf soll nun deren Wirken in hiesiger Gegend dargestellt werden.

Die Kopf tauchen sehr häufig in Urkunden der Klöster Freising, Weihenstephan, Neustift, Moosburg, Schäftlarn, Indersdorf, Rohr, Biburg, Prüfening, Ensdorf, Au und Salzburg auf. Meist finden wir sie im Gefolge ihrer Herren, der Pfalzgrafen und späteren Herzöge. Sie waren die wichtigsten und in die Geheimnisse ihrer Herren am besten eingeweihten Dienstmannen der Wittelsbacher. Wahrscheinlich haben sie über deren politische Pläne mehr gewußt als die gesamte Konkurrenz. Als sich z.B. nach dem plötzlichen Tod Herzog Ottos I. 1183 die gesamten Wittelsbacher, nämlich seine Brüder Friedrich, Otto und Konrad - letzterer war Erzbischof von Mainz -, seine Witwe Agnes und sein Sohn Ludwig - der spätere Ludwig der Kelheimer -, in der Burg von Kelheim trafen, um die Richtlinien ihrer künftigen Politik festzulegen, da war auch Siegfried Kopf, Sohn Heinrichs, zugegen.

Die Kopf haben auch unter dem Schutz ihrer Herren eine erfolgreiche Besitzpolitik auf eigene Rechnung betrieben. Es gelang ihnen, an mehreren Orten Fuß zu fassen. Ihr wichtigster Stützpunkt, wo sie auch ihr Erbbegräbnis errichteten, wurde Lengdorf. Wir besitzen einige Anhaltspunkte, wie sie an Lengdorf kamen. Dort saß früher eine freie Familie, die sich in mehrere Zweige geteilt hatte. Diese Herren gerieten in den Strudel der sozialen Umwälzungen des 12. Jahrhunderts, dazu in den Aktionsradius der Wittelsbacher und ihrer fähigsten Helfer, der Kopf, die sie von der nahen Kopfsburg aus unter Druck setzten. Der letzte ebenbürtige Vertreter namens Eckhart trat in dieser Zwangslage in die Dienstmannschaft der Wittelsbacher ein, wurde in der Folge 1180/1183 nach Schwindkirchen umquartiert - so wurde Lengdorf frei - und nannte sich fortan mit seinem Sohn Otto nach Schwindkirchen. Da der Name Otto bei den Herren von Lengdorf nicht vorkam, wird man hier zusätzlich an eine Schwägerschaft mit den Kopf denken. Außerdem erfolgte der Umzug Eckharts gerade zu einer Zeit, als der Pfalzgraf Otto Herzog von Bayern geworden war und somit den herzoglichen Besitz in seine Hand bekommen hatte. Auch in Schwindkirchen dürfte ein Gut gelegen haben, das zur herzoglichen Ausstattung gehört hatte und nun an den Lengdorfer ausgegeben werden konnte. Hier zeigt sich, wie der Herzog die Ausbreitungspolitik seiner Ritter, hier der Kopf, unterstützt hat.

Die Kopf erwarben noch ein weiteres Rittergut in Lengdorf. Ungefähr 1140/1155 lebte in Lengdorf ein Gotbold, wahrscheinlich ein Onkel des Eckhart. Dessen ältester Sohn hieß Magnus und ist bis etwa 1160/1170 bezeugt. Nun erfahren wir 1203, daß Siegfried Kopf einen Knecht namens Magnus besaß. Bei der Seltenheit dieses Namens muß das ein Sohn des Obigen gewesen sein. Die Kopf haben die gleiche Taktik wie in Geislbach und Altham angewandt. Indem sie den Besitzer des betreffenden Gutes in Lengdorf mit einer eigenen Untergebenen verheirateten, wurden sie selber die Herren dieses Gutes. Es scheint, die Fäden zu diesem Unternehmen wurden bereits 1168 gesponnen, auf der Kreuzfahrt. Damals war Siegfried Kopf dabei, der sich hier noch nach Wartenberg nennt, Hartwig von Altham-Eichenkofen, Willibold von Geislbach und Eckhart von Lengdorf selber. Die ganze Sache mag also recht gut mit dem Einverständnis der Beteiligten ausgeheckt worden sein, die damals, bei den Abenteuern ihrer weiten Reise, wohl zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen sind.

Auch die eigenen Heiraten der Kopf waren ganz auf die Vergrößerung ihres Besitzes und die Erweiterung ihrer Macht eingestellt. Doch in dieser Hinsicht waren sie nicht vom Glück begünstigt. Otto Kopf, Sohn von Otto und Enkel von Heinrich, heiratete Liutgart, die Witwe des reichen und mächtigen Edlen Dietrich von Moosen. Wäre diese Ehe nicht kinderlos geblieben, so hätte es wahrscheinlich neben der Grafschaft Moosen auch eine Grafschaft Kopfsburg gegeben, nicht jedoch eine Grafschaft Grünbach. Denn nun waren die Herren von Grünbach, Verwandte der Herren von Moosen, die Erben.

Sein Vater Otto hatte ebenfalls eine gute Partie gemacht: Seine Frau Heilwig war die Erbin von Burgrain. Dieser Ort, ursprünglich Sitz einer Freisinger Dienstmannenfamilie, hatte sich allmählich zu einer kleinen Herrschaft des Bischofs ausgewachsen. Vielleicht hat ihr Gatte selbst die Burg erweitert und verstärkt. Mit dieser Ehe hätte er diese Herrschaft dem Bischof entzogen und seinem Herrn, dem Herzog von Bayern, zugebracht. Aber was eine Generation früher möglich gewesen wäre, ging jetzt nicht mehr. Der politische Wind hatte sich inzwischen gedreht, der Bischof war nun nicht mehr Gegner, sondern Verbündeter des Herzogs. Als sich der jüngere Otto nach dem Tod seiner Mutter anschickte, die Herrschaft als Ministeriale der Wittelsbacher anzutreten, da protestierte der Kirchenfürst und verlangte, Otto müsse zur Freisinger Dienstmannschaft übertreten, und Herzog Ludwig der Kelheimer stimmte zu. Otto junior machte den Fehler, auf seinem Recht zu beharren, brach deshalb eine Fehde vom Zaun und starb darüber. Sein Bruder Ulrich setzte den Widerstand fort. Nach seinem Tod mußte beider Schwester Heilwig von Hegnenberg 1231 für die entstandenen Schäden aufkommen. Die Beobachtung, daß sie als Entschädigung zwei Güter und eine Mühle in Lengdorf gab und daß unter den zahlreichen Zeugen kein einziger Kopf zu finden ist, scheint zu beweisen, daß diese Familie nun im Mannesstamm erloschen war. So war die bisher so erfolgreiche Ausbreitungspolitik der Kopf jäh gebremst worden. Die Herrschaft Burgrain wurde dem Bischof durch Herzog Otto II. förmlich zurückerstattet.

Gänzlich verschwunden ist die Spur der Kopf allerdings nicht. Sie waren nämlich auch die ersten unter den Wittelsbacher Dienstleuten (neben den Elkofern), denen ihr Herr den Bau einer „Privatburg“ zugestand. Der archäologische Befund auf dem Badberg, einer Höhe südlich Kopfsburgs, weist vier Burganlagen auf. Hier hatte wohl die Familie Kopf ihren frühen Ansitz. Bald, vielleicht noch im 12. Jahrhundert, zog man herunter ins Tal und baute dort eine Wasserburg innerhalb eines kreisrunden Grabens. Seitdem die Archäologen mit Luftbildern arbeiten, mit Aufnahmen, die zeigen, was tief im Boden steckt und meistens schon längst vergessen ist, wissen wir, daß solche Anlagen damals die Regel gewesen sind: Ein runder oder ovaler Wassergraben, auf der Innenseite mit einem Wall samt aufgesetzten Palisaden versehen, bildete das erste, kaum überwindbare Hindernis. Ungefähr in der Mitte stand die „Burg“, damals noch aus massivem Holz. Doch unterschied sie sich von den Bauernhäusern dadurch, daß es noch ein Obergeschoß gab. Dort hauste die Herrschaft. Ins Erdgeschoß führten weder Tür noch Tor. Die herrschaftliche Wohnung war nur von außen zugänglich mittels einer Leiter, die bei Gefahr rasch eingezogen werden konnte. Das war also ein Vorläufer der späteren Wasserburgen.

Die Kopfburg ist verschwunden, aber der Graben blieb bestehen. Er ist allerdings ziemlich schmal geworden, weil man später das gesamte Erdreich des Walls hineingeschüttet hat. Am Rand des Grabens hat man zahlreiche Bäume gepflanzt, damit nicht unversehens jemand hineinfällt, weil man ihn in dem völlig ebenen Gelände erst aus nächster Nähe erkennen kann. Der Graben ist das einzige, was, neben dem Ortsnamen, in Kopfsburg noch an diese bedeutende Ministerialenfamilie erinnert, übrigens eines der wenigen Denkmäler überhaupt, das uns aus der Zeit vor rund 800 Jahren in der ganzen Gegend erhalten geblieben ist.

Literatur

Flohrschütz, Günther: Der Adel des Ebersberger Raumes im Hochmittelalter (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte; 88), München 1989

Flohrschütz, Günther: Der Adel des Wartenberger Raums im 12. Jahrhundert, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 34 (1971), S. 85-164, 462-511, 909-911

Flohrschütz, Günther: Altham im 12. Jahrhundert, in: Festausschuß 1250 Jahre Altham (Hrsg.): Altham 742-1992. Festschrift zur 1250-Jahrfeier der ersten urkundlichen Erwähnung. Chronik. Bilder. Dokumente, o.O. [1992], S. 30-50

Flohrschütz, Günther: Eichenkofen im 12. Jahrhundert, unveröffentlichtes Typoskript

Flohrschütz, Günther: Die ritterbürtigen Familiaren des Klosters Weihenstephan und ihre Verwandten, in: Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte 15 (1989), S. 25-64

Flohrschütz, Günther: Die Freisinger Dienstmannen im 12. Jahrhundert, in: Oberbayerisches Archiv 97 (1973), S. 32-339