Das Lager in Eichenkofen

von Franz Barak

Mit dem Bau des Lagers wurde nach meinen Informationen im Jahre 1936 begonnen und ursprünglich war es als Unterkunft für den RAD (Reichsarbeitsdienst) gedacht. Während des Krieges wurde es als Außenlager der Luftwaffe für den nahen Fliegerhorst genutzt. Es liegt am Rand des sogenannten Riemer Hölzls, an der Straße Erding / Moosburg, kurz vor Glaslern.

Wegen des hohen Grundwasserstandes wurden die einzelnen Baracken auf gemauerte Sockel und Holzpflöcke gestellt. Um das bebaute Areal legte man einen Entwässerungsgraben an, der auch einen Zufluss aus dem Graben an der Zufahrtsstraße hatte und in die nahe Sempt mündete. Zur Versorgung mit Trinkwasser diente ein Pumpbrunnen. Für die Dusche, die Waschräume, sowie die Küche und Lagerleitung war eine elektrische Pumpe mit Druckkessel und Wasserleitung vorhanden. Später kam noch ein Löschbrunnen am Hauptplatz des Lagers hinzu, aus dem die Feuerwehr bei Bedarf ihr Löschgeräte speisen konnte.

Bei Kriegsende wurden hier Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten untergebracht. Es handelte sich hauptsächlich um Schlesier, Deutsche aus Ungarn und der Tschechei - vorwiegend aus dem Böhmerwald und Südmähren. Wegen des enormen Platzmangels, auf ca. 18 qm z.B. acht - neun Personen, wurden im Laufe der Zeit noch drei Baracken aufgestellt, die aber von schlechter Qualität waren, und nur auf Holzpflöcken standen. Auch der Wegzug einiger Familien, durch Zuweisung von Wohnungen an anderen Orten, brachte nach und nach etwas Erleichterung bei der Belegungsdichte.

Im Laufe der Zeit wurden durch das Landratsamt / Flüchtlingsamt und die Amerikaner ausgemusterte Betten, Spinde, Tische und Stühle zur Verfügung gestellt. Auch kleine Kohleöfen (sogenannte Flüchtlingsöfen) mit einer kleinen Kochplatte wurden angeliefert. Dies war eine große Erleichterung, da man jetzt nicht mehr gezwungen war, jegliche warme Nahrung in der Lagerküche zuzubereiten. Denn da gab es immer wieder Streit um einen Platz am Herd, und man musste Schlange stehen, bis man an der Reihe war. Eine große Hilfe waren auch die in den Abendstunden erfolgten Lieferungen von Restmahlzeiten und Lebensmitteln durch die US-Luftwaffe vom Fliegerhorst, die teilweise sogar servierfertig gebracht wurden.

Ein jeder versuchte eben irgendwie über die Runden zu kommen. Sei es durch Arbeit in der Landwirtschaft, im Fliegerhorst oder in den im Aufbau befindlichen Gewerbe- und Industrieunternehmen. Auch der Schulbesuch wurde für die Kinder möglich. Sie mussten zuerst bis nach Langengeisling gehen. Später wurde eine Möglichkeit im Saal des Gasthauses in Eichenkofen geschaffen. Als uns die Amerikaner dann eine komplette Baracke zur Verfügung stellten, die wir nach zähen Verhandlungen mit dem Landbauamt, in Gemeinschaftsarbeit aufstellen durften, war das Problem Schule und Kindergarten gelöst. Sie bot genügend Platz für einen Kindergarten, Schulraum, sowie die notwendigen Nebenräume. Auch wurde von uns beim Aufbau die Möglichkeit geschaffen, die Mittelwand mit wenigen Handgriffen herauszunehmen, um so genügend Platz für Gemeinschaftsveranstaltungen zu schaffen, wie Kirche, Kino, Unterhaltung usw.

Ein reisender Pater, der das Lager öfter besuchte, bot an, ab und zu eine Messe zu lesen. Ein Altar war schnell gebaut, da ein größeres Heiligenbild und eine Marienstatue vorhanden waren. Für die Statue konnten wir sogar aus alten Autoscheinwerfer-Lampen einen Lichterbogen bauen. Nachdem der Eittinger Pfarrer Schwierigkeiten wegen der Erstkommunion der Kinder machte, konnten wir diese mit Hilfe des Paters und der Unterstützung des Pfarrers von Langengeisling, im Lager selbst abhalten. Auch eine Fronleichnamsprozession fand statt und jeder versuchte soviel wie möglich zur Ausgestaltung der Altäre beizutragen.

Nachdem Schule und Kindergarten nach einigen kleinen Startschwierigkeiten geregelt liefen, wurden sogar von den Kindern kleine Theaterstücke zu Weihnachten, Muttertag, Sommerfest auf der selbst mit einfachsten Mitteln erbauten Bühne zur Aufführung gebracht. Auch wurden für die Kinder Sportveranstaltungen organisiert. Als Siegespreis gab es eine Torte, die dann gemeinsam verspeist wurde. Im Sommer wurde von der Möglichkeit in der Sempt ein Bad zu nehmen, reichlich Gebrauch gemacht. Auch ein Wanderkino sorgte alle paar Wochen für einen unterhaltsamen Abend. In der Zwischenzeit hatte sich auch ein kleiner Lebensmittelladen etabliert, so dass man nicht mehr gezwungen war, wegen jeder Kleinigkeit in die umliegenden Dörfer bzw. nach Erding zu fahren. Eine größere Vorratshaltung war ja wegen des beschränkten Raumes und der fehlenden Kühlmöglichkeiten nicht möglich.

Sogar Hühner, Kaninchen und einige Schweine wurden gehalten. Das Futter lieferten die Grünflächen im Lager, die Küchen des Fliegerhorstes und die nach und nach entstehenden Gartenparzellen auf den nicht genutzten Flächen am nördlichen Rand des Lagers. Diese wurden in mühevoller Handarbeit von allerlei Abfall gereinigt und umgegraben. Eine CARE -Paketspende mit einem Samensortiment erleichterte den Erstanbau. Das Wasser zum Gießen wurde aus kleinen selbstgebauten Brunnen entnommen. Bei dem hohen Grundwasserstand musste gar nicht tief gegraben werden, um genügend Wasser zur Verfügung zu haben.

Nach einigen kleinen Bränden wurde festgestellt, dass die im Lager vorhandene Tragkraftspritze nicht funktionsfähig war. Durch die lange Standzeit waren sämtliche Dichtungen total ausgetrocknet. Sie wurde durch die freiwillige Feuerwehr Erding ausgetauscht und überholt. Auch der Löschwasser - Brunnen war versandet und musste gereinigt werden. Um derartige Mängel für die Zukunft abzustellen, wurden regelmäßige Überprüfungen und Löschübungen abgehalten und dabei die Gärten vor den Baracken gegossen. Man nutzte ja alle Möglichkeiten um daraus einen Vorteil zu ziehen. In der Baracke mit Wasch- und Duschraum wurde die Heizanlage überholt und zwei Badewannen installiert. Auch wurden Waschkessel aufgestellt, die das Wäsche waschen sehr erleichterten.

Als Klosett dienten 2 kleine Baracken, mit je 12 Sitzstellen (Plumpsklo). Da wegen des hohen Grundwasserspiegels die Auffangbecken für die Extremente nicht unterirdisch gebaut werden konnten, waren sie oberirdisch gebaut und die Baracken darauf gesetzt worden. Die Leerung erfolgte bei Bedarf durch die Landwirte, deren Grundstücke in Lagernähe gelegen waren. Für die Instandhaltung und Reinigung der Abwassergräben, Pflege der Lagerstraßen und -wege war neben seinen anderen Obliegenheiten der Lagerarbeiter zuständig.

Die einzelnen Familien hatten auch die Möglichkeit, zusätzlich zum zugeteilten Wohnraum, kleinere Schuppen zum Unterstellen ihrer Habseligkeiten zu errichten, die auch teilweise zu Kleintier - Haltung genutzt wurden. Es wurde eben alles getan, um wieder den Anschluss an den normalen Lebenslauf zu erreichen. Zu Weihnachten konnten wir sogar auf dem Hauptplatz des Lagers einen beleuchteten Weihnachtsbaum aufstellen. Für die Beleuchtung wurden wieder alte Autoscheinwerfer - Glühbirnen verwendet, die hintereinander geschaltet (20 Stück zu 12 V = 240 V) mit normalem Strom zu 220 V betrieben werden konnten. Es musste nur die gleiche Wattzahl verwendet werden.

Als Weihnachtgeschenk wurden einmal sogar Kleidung, eine kleine Bäckerei und verschiedene Sportartikel, wie z.B. Baseballschläger und -handschuhe, Fußbälle usw. von dem Jugendbeauftragten der US-Luftwaffe zur Verfügung gestellt. Auch für das leibliche Wohl der Kinder bei der Weihnachtsfeier wurde gesorgt.

Ungefähr 1950 wurden die drei Baracken 18, 19 und 20 an den Innenseiten der Außenwände mit HERAKLIT -Platten verstärkt und mit Feinmörtel verputzt, da sie im Winter gegen Kälte nur geringen Schutz boten. Diese Arbeiten wurden größtenteils wieder selbst erledigt, da man dadurch schneller fertig wurde. Auch lieferten die Amerikaner immer wieder einige Lastwagen Verpackungsholz, das als Brennholz sehr willkommen war.

Die am Waldrand liegenden Flugzeugrümpfe und Tragflächen hatten sich unter den geschickten Händen der Lagerbewohner längst in Pfannen, Backbleche und sonstige Gerätschaften verwandelt. Die Restteile holte sich ein Schrotthändler. Auf diesem Wege ging es langsam aber stetig zur Normalität. Als dann das 1. Motorrad im Lager Einzug hielt, war dies ein erneuter Ansporn sich noch mehr um normalen Wohnraum zu bemühen.

Im Herbst 1954 konnten dann endlich die im Programm Lagerauflösung erstellten Sozialwohnungen in der sogenannten Fischersiedlung in Erding - Klettham bezogen werden. Für uns Lagerbewohner ging damit ein Lebensabschnitt mit teilweise sehr primitiven Bedingungen zu Ende. Das Lager wurde anschließend abgerissen und ist heute schon von vielen vergessen.

Aus der Erinnerung zusammengestellt von Franz Barak, ehemaliger Lagerbewohner,

am 13. Juni 2001.